Volunteere Berichten: Janine Teil 4 (Frühling 2017)

Liebes Tagebuch,

 

ich muss mich entschuldigen, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe.

Am 7. Januar waren wir in einer Situation, die man so in Deutschland wohl nie erleben würde.

Eine allgemeine Unruhe machte sich plötzlich bei den Pferden draußen breit. Einige liefen wild (was für ein toller Anblick!) die Weide auf und ab.

Dann sahen wir, dass jemand mit einem weißen Schimmel vor der Hofeinfahrt entlang ritt. Ein wenig später fuhr ein Auto vor das Tor vom Hof und begann immer wieder lautstark zu hupen.

Sharon ging zu den Störenfrieden und fand heraus, dass es sich um Zigeuner handelt, die ein weggelaufenes Pferd suchen würden und versuchten im gleichen Zug, Sharon ein Pferd zu verkaufen.

Doch sie ging nicht darauf ein. Schließlich seien wir keine Händler. Das war schon eine wirklich merkwürdige Aktion.

Die folgenden Tage verliefen wie im Flug. Ich kümmerte mich mehr oder weniger alleine um die Pferde, da es Sharon leider gar nicht gut ging.

Ich machte die Arbeit aber gerne alleine. Ich weiß nicht, aber das ist ein wenig wie Yoga für mich. Man ist komplett alleine mit seinen Gedanken und in dem, was man tut. Ich kann mir den besten Plan, wie ich alles wunderbar erledige, selbst überlegen. Irgendwie ist das auch ein Stück Freiheit. Sharon vertraute mir, was ich da tue. Die kleinen Momente, wenn man etwas Zeit mit den Pferden verbrachte, machten die Arbeit nur noch halb so schlimm.

Man glaubt gar nicht, wie gut man die Pferde kennenlernte, wenn man sie einfach nur beobachtet. Gerade Chester blieb mir da besonders in Erinnerung. Seine Vergangenheit bestand aus harter Arbeit auf dem Feld unter ständigen Schlägen von hinten.

Er machte für mich den Eindruck, etwas autistisch zu sein. Klar, ich bin weder eine Ärztin, noch Pferdeflüsterer. Aber Chester war sehr sensibel im Umgang (beim Führen berührte er mich nicht mal und am Strick würde er im Leben nicht ziehen) und sobald etwas stressiges in seinem Umfeld war oder raus in eine andere Box gestellt wurde, begann er, mit seinen Lippen zu klappern. Für jemand außenstehendes mag das vielleicht süß klingen. Ich denke hingegen, dass er diese Bewegungen zur eigenen Entspannung machte. Als ob er dann etwas wegtreten kann. Auch war das Anfassen für ihn purer Stress. Er verfiel regelrecht in eine Art Starre. Man bemerkte es daran, dass seine Augen diese Weichheit verloren und er alle Muskeln anspannte.

Mit der Zeit wurde er aber auch interessierter an mir, so dass ich mich gerne einfach mal vor seine Box stellte und etwas entspannte. Er begann dann, mich ganz genau anzuschauen und tastete meine Jacke und mein Gesicht (pure Gänsehaut!) etwas ab. Diese kleinen Momente sind es, die einen dazu bewegen weiter zu machen. Man beginnt plötzlich zu sehen, wie die Pferde dort in klitzekleinen Schritten wieder vertrauen fassen.

Am 10. Januar kam erst morgens der Hufschmied und zauberte wieder schöne Hufe und dann holte Quinta Trevo Dililah, Blotta und Geeza ab. Ich war begeistert, wie leicht die drei sich verladen ließen!

Ab dem 12. Januar begann dann die Schulung der Portugiesin im Callcenter. Von 9 bis 18 Uhr war sie also außer Haus. Die Arbeit musste aber dennoch erledigt werden. So waren Sharon und ich die meiste Zeit alleine auf dem Hof und kümmerten uns um die Vierbeiner. Ich genoss die Ruhe mit den Pferden im Stall und Sharon versuchte weiterhin gesund zu werden.

Am 13. Januar entdeckten Steve und ich morgens beim Füttern leider Calvin liegend in seiner Box. Für uns stand schnell fest, dass es sich um eine Kolik handeln musste.

So bekam Calvin direkt etwas zum Entkrampfen und ich begann mit ihm zu gehen.

Es war sehr mühselig, weil er kaum laufen mochte. So zog ich ihn dann erst einmal über den Hof. Nach etwa drei Stunden Gehen mit kleinen Pausen mussten wir aber feststellen, dass wir es wohl nicht alleine schafften. Sharon rief den Tierarzt an und wie durch ein Wunder, kam dieser innerhalb einer Stunde. Sharon sagte dazu nur, dass das noch nie so vorkam.

Calvin wurde Wasser eingeflößt und er durfte sich in einer leeren Box etwas erholen.

Doch damit war für uns noch keine Pause. Einige Pferde mussten noch raus und die dreckigen Boxen gemistet werden.

Sharon und Steve machten sich gegen Mittag auf den Weg nach Lissabon zu dem Fall der 30 verwahrlosten Pferde (davon habt ihr ja sicher schon mitbekommen). Die Leute brauchten vor Ort Unterstützung und ich versicherte Sharon, dass ich den Hof auch alleine schmeißen könne bis die Portugiesin kommt.

Als ich nach einer kurzen Pause am Nachmittag wieder hoch zum Stall kam, fand ich den ersten Haufen in Calvins Box. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich mal so darüber freuen würde, wenn ein Pferd äppelt. 😃

Am Abend fütterte ich noch gemeinsam mit der Portugiesen und schlief zufrieden ein.

Bis zum nächsten Mal, liebes Tagebuch.

 

 

Deine Janine